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Antike Texte

Antike Texte lesen hilft!

Antike Texte verschwinden im Zuge eines entfesselt betriebenen Bildungsumbaus zunehmend aus dem Unterricht. An fadenscheinigen Begründungen für dies schulische Beschweigen mangelt es nicht. Kommen sie dennoch zur Sprache, dann häufig nur in Form von Inhaltsangaben, Interviews oder ähnlich Vorverdautem.

Der Leitapproach meiner Überlegungen: Die Referenztexte der abendländischen Kultur- und Ideengeschichte sind gerade aufgrund ihres unablässig diskutiertenProblemreichtums in den Schulen für jeden zu öffnen und zu ansprechenden Lernarrangements aufzubereiten, - und dies ohne Blick auf Leistungsvermögen, Herkunft und ähnliche Schülermerkmale. Die Unterrichtsszenarien sollen große Gespräche sein, die an den Beunruhigungspotentialen der Texte anknüpfen und diese aushalten. Solch Unterrichten scheitert fortwährend, wenn er Beruhigung durch "Arbeitsblattabheften" anstrebt; er gelingt als offene, zielorientierte Praxis gemeinsamen Nachdenkens.

Die verheerende Abhakmentalität, die dem Lehrerberuf so gefährlich naheliegt, verlängert sich ungebremst in die Schülersätze "Ach, den 2. Weltkrieg (oder Goethe....) hatten wir schon in der 9." Also: Gespräche brauchen das Scheitern, ihr einsichtiges Noch-Nicht-Beendet-Sein, um erneut sinnvoll begonnen werden zu können. Jede Rede ist Schweigen (Merleau-Ponty) und mit dem Gesagten steigt die Menge des Noch-Nicht-Gesagten (Heidegger). Dies scheint auf, dem gilt es produktiv zu begegnen. Hier entwürfe sich die Lehrkraft als Mitlesende, Mitfragende, als Gesprächspartner. Diese Erfahrung ist für alle Beteiligten apriori eine gute, die Lektüre antiker Texte legitimierende, Erfahrung. 

Die Literaturzeitung eines Deutschkurses zu Homers Odyssee lesen sie hier.

Filme. Sehen lernen. Staunen.

Ich stelle hier ausgewählte Filme vor, die ich aufgrund ihrer Thematik, Erzählpoesie und Bildgewalt für unbedingt sehenswert halte. 

Jüdisches Leben in Polen - bevor die Deutschen kamen

Der Holocaust hat auf brutale Weise die Geschichte des Judentums in ein "davor" und ein "danach" unterteilt und den Blick auf jüdisches Leben im Europa der dreißiger Jahre versperrt. Der Horror, der folgte, war zu groß, um sich an das "davor" erinnern zu können. Die eingeschränkte Wahrnehmung spiegelt sich auch im Kino wider. In den Filmen, die sich mit dieser Zeit beschäftigen, dominiert das Bild großbürgerlicher jüdischer Kaufmannsfamilien, die trotz ihrer Assimilation Opfer der Verfolgung wurden. Bilder von ärmlichen, orthodoxen Juden mit langen Bärten und Schläfenlocken findet man kaum... (weiter hier

 

Komm und siehe! 

Elem Klimovs Meisterwerk! Die Wandlungs des Protagonisten vom Kind zum verstörten Erwachsenen vollzieht sich als fortwährende Grauensbewältigung, welche die Kindheit vertreibt und ein Alter nicht zulässt.

"»Komm und siehe zu!«, heißt es in der Johannes-Apokalypse. Die Kraft der Bilder, etwas zu offenbaren, hängt auch mit der Bereitschaft des Publikums zusammen, etwas sehen zu wollen. Elem Klimov arbeitet nicht mit der Autorität des Authentischen, sondern präsentiert eine Welt der subjektiven Schocks. Die NS-Verbrechen in Belorussland 1943 werden aus der Perspektive des zwölfjährigen Fljora erlebt, der sich der Partisanenbewegung anschließt, den Genozid deutscher SS- und SD-Einheiten an den Bewohnern eines Dorfes mitansehen muss und am Entsetzen (heran)wächst. Die traumatischen Situationen beziehen ihre Wirkung aus halluzinatorischen Bild- und Tonfolgen. Der Gehörsturz, den Fljora nach einem Granatenbeschuss erlebt, das zuckende Auge einer sterbenden Kuh im Trommelfeuer und rückwärts laufende Archivsequenzen, die nach dem Ursprung des Grauens fragen, suchen in der Filmgeschichte ihresgleichen." (Matthias Wittmann)

 

Die Rückkehr

"Die Rückkehr" Andrej Swjaginzews

Als es dunkel wird, sitzt der Junge immer noch auf dem Turm. Schon vor Stunden hätte er von hier herunterspringen sollen, zehn, fünfzehn Meter tief ins Meer, wie seine Spielkameraden vor ihm. Aber Iwan hat sich nicht getraut. Er kauert auf der hölzernen Plattform, nackt bis auf die Badehose, und friert. Vom Damm, der den Turm mit dem Festland verbindet, nähert sich eine Gestalt. Es ist seine Mutter. "Komm runter." - "Ich kann nicht. Wenn ich nicht springe, nennen mich alle einen Feigling." - "Ich werde nichts verraten. Komm." (weiter hier)

 

Zwei mal "Solaris".Tarkowskij, Soderbergh und Lem.

Über Lems großartigen Text soll hier nichts geschrieben werden. Nur eines: Er ist großartig.

Zwei Mal schon haben sich Regisseure daran versucht, scheinbar nicht bebilderbare Ich-Zustände und Fragen nach dem Selbst in einen Kinofilm zu transportieren. Beiden ist es bekanntlich geglückt,

Soderbergh in seiner knapperen und süffigeren Version mit einem Focus auf den Stellenwert des Erinnerns, der in der Liebesgeschichte eingekleidet seine verstörende Irritation nicht verliert. Dies bewahrt Soderberghs Film vor dem Kitschvorwurf.  (weiter hier)

 
 

Gedichte lesen. Interkulturelles Lernen.

 

"Die lyrische Poesie [...] ist ein punktuelles Zünden der Welt im Subjekte."
Friedrich Theodor Vischer - Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen (1846-57; 2/1923, §886)

"Ein Gedicht ist immer die Frage nach dem Ich."
Gottfried Benn - Marginalien

 

"Aber die Schriftsteller müssen ihre Aufgabe als Feuerwehr der Sprache erfüllen. In Deutschland weiß man besser als sonstwo: Jeder Katastrophe, jeder Ungeheuerlichkeit geht ein Missbrauch der Wörter voraus."

An das Postulat Amoz Oz´ anknüpfend vermögen Gedichte zur Sensibilisierung beizutragen, sie vermögen eine Fremdheit zur Alltäglichkeit zu stiften, die in vielerlei Hinsicht produktiv ist. Wozu Gedichte lesen also? Als (Über) Lebensmittel ! Lesefunde, Lieblingsgedichte, große Literatur..., - eine persönliche Sammlung; - zumeist aber zweisprachig; Gedichte von AchmatowaAragon Al Berto, Jessenin, Alberti, Bennis, Bihari, Bisultanov, Blok, Borowski, Celan, Char, Cummings, Chagall, Debeljak, Ekeloef,  Gelman, Gebirtig, Guerra, Hikmet, Hrubin, Jessenin, Kolmar, Lorca, Mandel'štam, Milosz, Mishol, Neruda, Pound,, Rozewicz, Sutzkever, Szymborska, Thomas, Toerne,  Valéry, Vallejo,  Yeats, Walcott, Whitman, Wyssotzkij., Zagajewski, Zajc, Zychlinski

 

In schulischen Lebens- und Arbeitszusammenhängen gerät zunehmend die Heterogenität der Lerngruppen ins didaktisierende Blickfeld. Prämissenhaft fließt hier immer mit ein, dass die aus der Lehrerperspektive konstatierte sprachliche und kulturelle Heterogenität der Lerngruppe selbstredend auch für die SchülerInnen horizonthaft präsent sei. Dies ist jedoch keineswegs so. Die Erfahrung der sprachlichen und kulturellen Differenz muss erst als mitgehende, unthematisch fungierende Hinsicht ent-deckt werden, Thema werden. Erst daran anschließend können interkulturelle Lernprozesse für alle Beteiligten angestoßen werden.

Die Lektüre anderssprachiger, fremdkultureller Gedichte im Deutschunterricht bietet hier wichtige, mehrfach erprobte Diskursformen und Denkimpulse.

Zeitzeugen befragen.

 

Erinnerungen teilen. Erinnerungskulturen.

Als Reaktion auf meinen Leserbrief im SPIEGEL, in dem ich die Titelfrage "Ist die Schuld verjährt? Der neue Umgang mit der Nazivergangenheit." (DER SPIEGEL 49/30.11.98) als dümmlich und gefährlich vereinfachend zurückwies und sagte, dass während der Reisen mit SchülerInnen nach Polen niemand von ihnen so eine Frage gestellt habe, meldete sich die Überlebende der Naziverfolgungen, Frau Orna Birnbach aus Tel Aviv, mit der Bitte, für sie während ihres Deutschlandaufenthaltes ein Gespräch mit den SchülerInnen zu arrangieren, die ihr Geburtsland mit mir bereisten.

Nach einigen ausführlicheren Gesprächen konnten sowohl ein schulübergreifendes Zeitzeuginnengespräch, zu der sich ca 380 Hattinger Schülerinnen versammelten, als auch eine kleine Podiunsdiskussion mit interessierten Hattinger BürgerInnenn durchgeführt werden. Es zeigte sich, daß die konkrete Kenntnisnahme der Erinnerungen von Frau Birnbach, die ohne Übertreibung als Sammlung von Grauenserlebnissen gelten dürfen, das Konstrukt "Geschichte" in individuelle Geschichten zurückführte, ohne damit die Notwendigkeit der methodischen Reflektion auszuhebeln. Die konkrete Erinnerungsarbeit stiftet eine "anamnetische Solidarität" (Micha Brumlik) und setzt so offensiv Zeichen gegen die sich leider zunehmend etablierende und salonfähig werdende "Kultur einer Amnesie" (Babtist Metz).

Der kleine Pressespiegel blendet das Echo auf diese Veranstaltung ein.

 

Geschlechtertypologie und Geschlechtsidentität

Geschlechtertypologie und Geschlechtsidentität

Eine kleine Fachtagung zum Thema der Geschlechtertypologien und -identitäten in unserem Kulturkreis mit dem gesamten 13.Jg.? .Die Idee zu dieser Tagung ging aus der unterrichtlichen Beschäftigung mit der Philosophie Jean Paul Satres hervor; die sich anschließende Lektüre exemplarischer Texte von Simone de Beauvoir erbrachte die thematische Fixierung.Das "aktuelle forum", eine politische Bildungseinrichtung, konnte unterstützend  für die Planung und Durchführung gewonnen werden, so dass die engagiert arbeitenden SchülerInnen die anfänglichen administrativen Vorbehalte zu zerstreuen wussten und sich letztendlich eine gelungene Tagung organisierten.