1
Gib mir die Hand, damit ich fühle
Des Sommers Ende ist noch weit
Setz dich zu mir: wir haben Zeit
Vom Meer her wehen Salz und Kühle
Der Mond blitzt auf: ein krummer Säbel
Im zitternden Olivenzweig
Und des Südens Süße steigt
Uns aus dem Weinkrug in die Schädel
Zünd an ein Licht: die Fledermaus
Zeichnet flatternd um das Haus
Der Berge Schattenriß
Heb deinen Kopf: du sollst nicht trauern
Ich schreibe an des Nachtwinds Mauern
Daß ich dich liebe, ist gewiß
2
Daß ich dich liebe, ist gewiß
Ich ruf, weil ich in Worten wohne
Ein aus der Haut gefahrener Teutone
Den Gott, der einst die Flöte blies
Beim Bockshorn Pans: ich heiß nicht Ikarus
Mich tragen nicht der Hybris Flügel
Und für Arkadiens helle Hügel
Mach ich mir Beine: geh zu Fuß
Wo unterm ölbaum Bauern hocken
Die sich den Ziegenkäse brocken
Zu Brot und Wein in das Gebiß
Umblökt von ihrer Ziegen Herde
Bin ich eins mit Licht und Erde
Weinlaubumrankt: ein Dionys
3
Weinlaubumrankt: ein Dionys
Will ich mit Wünschen nicht mehr geizen
Schon wächst mir aus der Hand der Weizen
Und aus der Zunge sprudelts süß
Nie wieder will ich im Gedicht
Mit Preußens sauren Gurken handeln
Mein Wort soll Stein in Brot verwandeln
Und Mitternacht in Mittagslicht
Heb deinen Kopf: sieh die Raketen
Die schon von Schiffen unter Dampf
Auf unsre Augen, unsre Zähne zielen
Schon spielt der Tod mit uns in heißen Drähten
Daß ich uns Hoffnung aus dem Boden stampf
Will ich die Stirn an deiner kühlen4
4
Will ich die Stirn an deiner kühlen
Und meinen Mund an deinem stehn
Bis Meer und Himmel mich durchwehn
Auf deines Atems Flügeln
Schon ist die Erde aufgebrochen
Des Hades Tiefen finster qualmend
Ein Räderwerk zu Staub zermalmend
Des Tantalos verfluchte Knochen
Ich aber lebe, weil ich euch
Ihr Götter, mein verkauftes Fleisch
Aus euren Zähnen reiße
Im Licht, das meine Schulter kaut
Wächst mir eine neue Haut
Und ich will Pelops heißen
5
Und ich will Pelops heißen
Des Tantalos den Göttern schon
Zum Fräße vorgeworfner Sohn
Will ich die Erde preisen
Fell Schuppen Haut Gefieder
Die Erde, die mich wiederhat
Jeden Baum und jedes Blatt
Schaff ich in Worten wieder
Ein neues Lied, ein neues Meer
Und einen Himmel schaff ich her
In den ich Wind und Sonne schreib
Um Gräten Knochen und Gestein
Bau ich der Erde einen Leib
Der Steine Zunge will ich sein
6
Der Steine Zunge will ich sein
Im Staub noch unter Hufen
Der Panzerherden rufen
Mein echoloses Nein
Nacht, die ich von Gräbern wälz
Das Schweigen auszuloten
Im stummen Mund der Toten
Bewege ich der Sprache Fels
Welten, fern im Funkenflug
Atlas, der den Himmel trug
Die Sterne stürzen ein
Dir, die mich aus dem Dunkel ruft
Ich form dir einen Leib aus Luft
Dem Feuer hauch ich Atem ein
7
Dem Feuer hauch ich Atem ein
In Himmel, die verrauchen
Will ich untertauchen
Mit Baum und Fisch und Stein
Im brückenlosen Raum
Will ich noch einmal fliegen
Wie leicht die Worte wiegen
O Stein O Fisch O Baum
Wie schwer wiegt unser Schweigen
Wenn die Wasser steigen
Die schwarz und bitter sind
Wer wird schon Noah heißen
Wenn diese Flut verrinnt?
Komm, es ist Zeit, das Haus zu weißen!
8
Komm, es ist Zeit, das Haus zu weißen
Die Erde, in der Wurzeln schlug
Der Ölzweig, den die Taube trug
Ins Mittagslicht zu reißen
So will ich Kalk und Wasser mischen
Ich rühre Gips und Salz hinein
Österlich den alten Stein
Mit neuem Weiß zu frischen
Des Himmels Bläue macht uns satt
Fünf Finger hat das Feigenblatt
Öffne deinen Mund dem Wind
Du, die mich sprechen lehrte
Ich seh dich an und weiß: wir sind
Ins Offne Heimgekehrte
|
9
Ins Offne Heimgekehrte
Baucis du, ich Philemon
Noch bewegt, doch wurzelnd schon
Im Geweb der Erde
Du die Linde, ich die Eiche
Aus des Himmels Feuer ziehn
Unsre Blätter lichtes Grün
Durch das Schwalben streichen
Ich die Eiche, du die Linde
Weiches Holz in rauher Rinde
Welch ergreifendes Idyll!
Wer mag da von Äxten unken?
So verzweigen wir uns still
Von Licht und Wasser trunken
10
Von Licht und Wasser trunken
Bin ich auf den Grund
Deines Mundes und
Deines Schlafs gesunken
Daß Liebe mich entwaffne
Apoll im Lorbeerstrauch
Lös ich mich auf in Rauch
In deinen Armen, Daphne
Ich war ich bin ich werde
Vom Wort bewegte Erde
In die du Atem hauchst
Wirf Asche in die Winde
Daß ich dich wiederfinde
Wo blau der Himmel braust
11
Wo blau der Himmel braust
In eines Mittags Größe
Durchwehn die Atemstöße
Des Meerwinds unser Haus
Gehüllt in schwarzes Tuch
Die alten Fraun am Brunnen
Um die Hornissen summen
Was kümmert uns ihr Fluch!
Wir sehn das Muli gehn
Das gleiche Schöpf rad drehn
Auf immer gleicher Fährte
Daß ihm ein Gott einst Kränze flicht!
Wir liegen im Olivenlicht
Als ob uns nichts beschwerte
12
Als ob uns nichts beschwerte
Kein Fließband uns Gebrüll
Ins Ohr und Qualm und Müll
Ins Blut der Lungen leerte.
Als wären nicht die Nächte
Die dir und mir gehörn
Auf Planquadraten fern
Im Ziel der Bombenschächte
Ich will mich zu dir legen
Rot reift das Pfefferkraut
Die Hände und die Zungen
Soll uns der Wind bewegen
Und die Reibung Haut an Haut
Schlägt uns noch einmal Funken
13
Schlägt uns noch einmal Funken
Des Himmels heller Zorn
Des Meerwinds Widderhorn
Stößt tief in unsre Lungen
Wenn ich Odysseus hieße
Und du Nausikaa
Gab es kein Ithaka
Für das ich dich verließe
Die Schiffe sollen brennen
Abreiß ich die Antennen
Und lösch die Bilder aus
Die Schatten, die wir werfen
Soll uns noch einmal schärfen
Des Sommers Sonnenfaust
14
Des Sommers Sonnenfaust
Wirft uns als Wind und Welle
Auf den Grund der Quelle
Die in der Muschel rauscht
Was bleibt in dieser Luft?
Kein Abdruck unsrer Knochen
Wir sind dem Nichts versprochen
Das unsre Namen ruft
Mag sein: wir sind begraben
Lebendig schon, verlorn
Korn in der Knochenmühle
Heb deinen Kopf: wir haben
Nichts mehr als unsern Zorn
Gib mir die Hand, damit ich fühle
15
Gib mir die Hand, damit ich fühle
Daß ich dich liebe, ist gewiß
Weinlaubumrankt: ein Dionys
Will ich die Stirn an deiner kühlen
Und ich will Pelops heißen
Der Steine Zunge will ich sein
Dem Feuer hauch ich Atem ein
Komm, es ist Zeit, das Haus zu weißen
Ins Offne Heimgekehrte
Von Licht und Wasser trunken
Wo blau der Himmel braust
Als ob uns nichts beschwerte
Schlägt uns noch einmal Funken
Des Sommers Sonnenfaust
|