Sako manus hin aver,
al´e manusa sam savoré.
Jeder Mensch ist anders,
aber wir alle sind Menschen.
(altes Roma-Sprichwort)
Migration und Minderheiten.
Migrationen kennzeichnen das jüngst beendete "Jahrhundert der Lager" (Baumann) und die verschiedensten Integrationskonzepte können angesichts allerortens ansteigender Xenophobie und minderheitenfeindlicher Gewalt nicht wesentlich zur Entspannung des Konfliktpotentials beitragen. Hinzu kommt die letztlich unverständliche Ignoranz und Hähme einer Mehrheitsgesellschaft, mit der Migranten in ihrer Problematik nicht nur nicht verstanden, sondern häufig auch als Schmarotzer denunziert werden. Diese Haltung wird zunehmend salonfähig und aus der Mitte der Gesellschaft auf Betriebs- und Weihnachtsfeiern im Familienkreis geäußert, wie ich wiederholt berichtet bekam. Nach Fatih Akins "Gegen die Wand", (Goldener Bär der 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin) der Migration aus der Innenperspektive vorträgt, regt sich auch vermehrt mediales Interesse. Das kürzlich ins Internet gestellte Informationsportal www.the-unwanted.com schließt endlich eine Lücke.
Dieser Aufsatz versucht für schulische Arbeitszusammenhänge Ideen vorzustellen, Projektformen zu skizzieren und methodische Prinzipien zu gewinnen, um über die zumeist fruchtlosen, bloß kognitiv zugeschnittenen Ansätze hinaus Erfahrungs- und Begegnungsfelder zu entwerfen, in denen die Akzeptanz des Fremden in vielfacher Hinsicht bereichernd erlebt und überdacht werden kann. Gerade im für junge Menschen alltäglichen Lebensraum Schule werden Haltungen gegenüber anderen Menschen erworben und zu einem Habitus verdichtet. Daher kann Schule auch die legitimen Bedürfnisse nach kultureller Eigenständigkeit aller in ihr arbeitenden Gruppen und Ethnien einerseits und die Anforderungen einer sich weltweit immer einheitlicher zuschneidenden Kultur moderieren und für die Persönlichkeitsreifung und soziale Interaktion der Jugendlichen gewaltfrei entwerfen helfen.
Die durch Krieg, Armutsgefälle, ethnisch und politisch motivierte Diskriminierung, Territorialpolitik, Arbeitsmärkte und im Falle Deutschlands auch Spätaussiedlung in Gang gesetzten Migrationen haben die Industriegesellschaften längst in multikulturelle Gemeinschaften überführt.
Der dem Landtag NRW in der letzten Sitzungswoche vor der Wahl vorgelegte Migrationsbericht belegt dies mit eindrucksvollen Zahlen: 1999 lebten 2 Millionen Migranten im bevölkerungsreichsten Bundesland, dies entspricht einem Anteil von 11,1% der Gesamtbevölkerung. 715.000 Türken, jeweils ca. 100.000 aus dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland und Italien, 76.000 Polen und 57.000 Staatsangehörige aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR. Hinzu kommen im Zeitraum 1993-1999 250.000 Spätaussiedler aus Ost- und Mitteleuropa. Während Kinder unter 18 Jahren in der Bevölkerung der BRD 19,5% ausmachen, stellen sie unter den Migranten aus den ehemaligen Anwerbestaaten immerhin 25%, unter den spätausgesiedelten Menschen sogar 33%. Die schulische Situation gerät mit diesen wenigen Zahlenbeispielen zwangsläufig in den Blick.
Das multikulturelle und mehrsprachige Klassenzimmer ist also längst Alltag, aber die schulischen Möglichkeiten aber auch Verpflichtungen zur Betreuung ethnischer Minderheiten sind kaum vorhanden. Zwar schreiben sich vor allem Gesamtschulen gelungene Integrationsarbeit auf die Fahnen, aber bei näherem Hinsehen besteht vielfach nur unterrichtlich gedeckelte Ignoranz und Ruhe, die außerhalb, vor allem in Großstädten, schnell wieder aufbricht. Dass die kulturellen Eigenheiten ethnischer Minderheiten thematisch gewinnbringend in den Blick aller geraten, bleibt ein Einzelfall, der sich dem Engagement einzelner verdankt.
Drei verschiedene Arbeitsskizzen sollen zeigen, wie leicht es mit ein wenig methodischer und fachlicher Phantasie gelingen kann, fachübergreifende und projektorientierte Verfahren für integrative Betreungskonzepte ethnischer Minderheiten zu entwerfen und durchzuführen. Drei exemplarische Skizzen, zur Geschichte und Kultur der Sinti & Roma, eine Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Werk eines großen russischen Schauspielers und Liedermachers Wladimir Wyssotzkij, den die meisten Spätaussiedler und Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa kennen und lieben und eine angedachte literarische Thematik zum Bildungsroman in an Beispielen unterschiedlicher kultureller und geographischer Herkunft beschließt die Sammlung. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, Vorurteile zu überprüfen und zu korrigieren.