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 Russlanddeutsche. Zu Hause fremd.

 Innerhalb der letzten fünfzehn Jahre sind ca. 3.000000 Aussiedler nach Deutschland gekommen, in den letzten Jahren vornehmlich aus den ländlich en Gebieten Russlands und Kasachstans. Die Hälfte ist jünger als 25 Jahre, hat zumeist erhebliche Sprachprobleme und keine, bzw. die falsche Berufsausbildung für den westeuropäischen Arbeitsmarkt. 1,5 Millionen Angehörige der deutschen Minderheit sollen heute noch  in Russland leben,- eine  Minderheit, die ursprünglich im 18.Jh. auf ein Siedlungsversprechen und zugesicherte Religionsfreiheit von Zarin Katharina II  hin von Hessen und BW nach Russland ging und immer wieder, zuletzt im 2. Weltkrieg und seiner Folgejahre, zwangsdeportiert, interniert und zu Zwangsarbeit verurteilt wurde. Seit 1992 gilt die Quotenregelung, die nicht mehr als 200 000 Einwanderer jährlich zulässt.

Es gehört zu den großen Tabus unserer öffentlichen Redekultur, dass wie schon die Verbrechen der Nazis und die ungeheuren Eingliederungsprobleme von vielen Millionen Vertriebenen in die Nachkriegsgesellschaft auch dieses Thema kaum konflikt- und problemorientiert diskutiert wurde und wird. Dabei weiß man mittlerweile sehr viel, die Zahlen und Untersuchungen liegen vor (vgl.:Marburg, Elena; Die deutschen Neubürger von Marzahn. Berlin 2000). Vor allem junge Aussiedler haben es schwer. Zumeist wurden sie in die Entscheidungen ihrer Eltern nicht einbezogen, sie fühlen sich abgelehnt, haben beruflich deutlich schlechtere Perspektiven. Nur 13% der jugendlichen 

Aussiedler haben den Eindruck willkommen zu sein. Vor allem in großstädtischen und industriell geprägten Szenarien quittieren viele Russlanddeutsche die offene Benachteiligung mit Einstiegen in kriminelle Biographien. Jeder zehnte jugendliche Straftäter stammt aus einer Aussiedlerfamilie (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen), doppelt so viele, wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.

Gründe gibt es als ob genug um Arbeitsinhalte und Vermittlungsformen zu entwickeln, die die interkulturell grundierte Fremdheit offen ansprechen und den sprachlich-kulturellen Hintergrund thematisieren.

 

Wladimir Wyssotzkij

Das Oeuvre des 1980 verstorbenen Liedermachers, Schauspielers und Lyrikers eignet sich in besonderer Art und Weise für das oben skizzierte Anliegen. Den meisten jugendlichen Aussiedlern sind seine Lieder und auch einige biographische Details vertraut; der Nimbus des wilden, sperrigen, sich der Autorität nicht beugenden, die Liebe und den Rausch mit rauher Stimme besingenden Russen hält ihn in Erinnerung; - sein Lied " Die Wolfsjagd" kennt auch heute noch fast jeder mit russischem Migrationshintergrund. Die Beschäftigung mit seiner Biographie, seinen Liedern und Texten spricht kulturhistorische Biographiekoordinaten junger Aussiedler an und verschafft ihrer kulturellen und sprachlichen Herkunft unterrichtlich Geltung und Achtung, - ja es gelingen zudem über die Musik vermittelte gemeinsame Begeisterungen. Solche Unterrichtsvorhaben signalisieren allen Beteiligten den bereichernden Wert des zunächst Fremden und unterstreichen die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung.

Wyssotzkis Werk ist im deutschen Sprachraum gut erschlossen, zahlreiche Tondokumente sind leicht beschaffbar und die innerschulischen Adaptionen an curriculare Rahmenbedingungen gelingen leicht. Lyrikreihen, Probleme der Übersetzung, musikalische, historische und sozialwissenschaftliche Fragestellungen können ohne viel Aufwand entwickelt und auch fachübergeifend und projektorientiert dimensioniert werden. Zumeist kann auf die sprachlichen Kompetenzen der jungen Aussiedler zurückgegriffen werden, was ihnen Respekt und Wertschätzung signalisiert. Die natürliche Mehrsprachigkeit stellt keine Störung sondern eine Bereicherung schulischen Lebens dar. Was z. B. die LAGA ( Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in NRW) als Forderung formuliert, muss nachdrücklich als unterrichtlich nicht bloß realisierbare Arbeitsform gekennzeichnet werden, sondern als darüberhinaus motivational gelungenes Unternehmen.